Seit 1998 auf Freiburgs Straßen

Seit Jahren geht in unserer Gesellschaft die Schere zwischen Arm und Reich weiter auseinander. Besonders durch die Agenda 2010 und die damit verbundenen Hartz IV-Gesetze wurden Sozialleistungen abgesenkt. Die Lebenshaltungskosten steigen jedoch von Jahr zu Jahr. Viele Menschen kommen mit den Sozialleistungen nicht mehr aus oder fallen schon längst durch das ziemlich löchrig gewordene soziale Netz. Und heute kann jede(r) von Arbeitslosigkeit bedroht sein.

Vereine und private Initiativen versuchen die Not, in welche immer mehr Menschen kommen, zu lindern und die Lücken im System zu schließen. Es gibt unterschiedliche nichtstaatliche Einrichtungen wie z. B. die Tafeln, welche sich um diese ständig wachsende Bevölkerungsgruppe kümmern. Oder eben die Straßenzeitungen wie der FREIeBÜRGER. Der FREIeBÜRGER ist eine klassische Straßenzeitung. Wir geben unseren VerkäuferInnen die Möglichkeit, ihre knappen finanziellen Mittel durch den Verkauf unserer Straßenzeitung aufzubessern. 1 Euro (Verkaufspreis 2,10 Euro) pro Ausgabe und das Trinkgeld dürfen unsere VerkäuferInnen behalten. Der FREIeBÜRGER unterstützt also Menschen in sozialen Notlagen. Zu unseren VerkäuferInnen gehören (ehemalige) Obdachlose, Arbeitslose, GeringverdienerInnen, RentnerInnen mit kleiner Rente, Menschen mit gesundheitlichen Problemen, BürgerInnen mit Handicap u. a.

Gegründet wurde der Verein DER FREIeBÜRGER e. V. im Jahr 1998 von ehemaligen Wohnungslosen und deren Umfeld, deshalb kennen die MitarbeiterInnen die Probleme und Schwierigkeiten der VerkäuferInnen aus erster Hand. Ziel des Vereins ist es, dass Menschen durch den Verkauf der Straßenzeitung sich etwas hinzuverdienen können, sie durch den Verkauf ihren Tag strukturieren und beim Verkaufen neue Kontakte finden können. Es freut uns zum Beispiel sehr, dass einige wohnungslose Menschen über den Verkauf der Straßenzeitung sich eine neue Existenz aufbauen konnten. Heute haben diese Menschen einen sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplatz und eine Wohnung.

In unserer Straßenzeitung möchten wir Themen aufgreifen, welche in den meisten Presseerzeugnissen oft zu kurz oder gar nicht auftauchen. Wir wollen mit dem Finger auf Missstände zeigen, interessante Initiativen vorstellen und kritisch die Entwicklung unserer Stadt begleiten. Wir schauen aus einer Perspektive von unten auf Sachverhalte und Probleme und kommen so zu ungewöhnlichen Einblicken und Ansichten. Damit tragen wir auch zur Vielfalt in der lokalen Presselandschaft bei. Unser Team besteht derzeit aus fünf MitarbeiterInnen. Die Entlohnung unserer MitarbeiterInnen ist äußerst knapp bemessen und unterscheidet sich aufgrund der geleisteten Arbeitszeit und Tätigkeit. Dazu kommt die Unterstützung durch ehrenamtliche HelferInnen.

Leider können wir durch unsere Einnahmen die Kosten für unseren Verein, die Straßenzeitung und Löhne unserer MitarbeiterInnen nicht stemmen. Daher sind wir auch in Zukunft auf Unterstützung angewiesen.

Für mehr Infos: FREIeBÜRGER Straßenzeitung - Startseite | Facebook

 

Ein kleiner Rückblick...

Die Idee, eine Straßenzeitung zu machen und letztendlich den Verein selbst zu gründen, entstand 1998. Bei einer gemütlichen Runde Bier saßen Uwe Baranek, H. M. Schemske, Walter Molsich und weitere engagierte Menschen zusammen und entwickelten den Gedanken einer Zeitung. Gründe hierfür gab es zu Genüge.

Primär der legale Gelderwerb, der das damals bestehende Bettelverbot umgehen würde. Jedoch war auch die Aussicht auf eine freie Meinungsäußerung sehr verlockend und rangierte letztlich zum Hauptgrund der Zeitungsherstellung. Soziale und politische Probleme ansprechen, die Verursacher kritisieren und auch der Versuch, Lösungen anzubieten.

Doch bevor es damit losgehen konnte, mussten bürokratische Hürden genommen werden. Als erstes wurde für eine Verkaufsgenehmigung gesorgt, ohne die in Deutschland kein Druckerzeugnis vertrieben werden darf. Dann benötigte man auch noch einen Herausgeber, der für einen ordentlichen Vertrieb der Zeitschrift steht. Somit wurde der Verein '“FREIeBÜRGER'' gegründet.

Jedoch waren es nicht nur Formalien, die den Verein entstehen ließen. Ebenfalls wichtig war seine Gemeinnützigkeit. Durch den Verkauf der Zeitung konnten Menschen in sozialen Notlagen unterstützt werden und gleichzeitig die Möglichkeit eines legalen Gelderwerbs geboten werden. Zudem förderte diese Art der Arbeit auch die sozialen Kontakte der VerkäuferInnen durch ihre KundInnen.

Zu dieser Zeit gehörten u. a. die PunkerInnen vom Rotteckdenkmal, die BewohnerInnen der Wagenburgen sowie ältere Menschen zu den VerkäuferInnen der Zeitung. Das Blatt selbst wurde damals noch von ehrenamtlichen RedakteurInnen direkt auf der Straße produziert, da es lange keine Redaktionsräume gab.

Erst später diente ein kleines Zimmer in der Wallstraße als Redaktionsraum, bis es dann für ein erstes ordentliches Büro in der Hebelstraße reichte.

Die erste Ausgabe der Straßenzeitung FREIeBÜRGER erschien sodann am 1. Juni 1998 und wurde in sämtlichen Straßen Freiburgs angeboten. Werbung im Vorfeld gab es nicht und daher musste den Menschen erst einmal erklärt werden, was das überhaupt für eine Zeitung ist und warum es diese auf der Straße zu kaufen gibt. Doch die Resonanz war erstaunlich positiv, und zwar in jeder Hinsicht.

Der FREIeBÜRGER gehörte alsbald schon zum Stadtbild Freiburgs. Zudem wurde durch diverse Öffentlichkeitsarbeit auf die Zeitung aufmerksam gemacht.

2000 trat dann die erste und wohl auch größte Krise des Vereins in den Vordergrund. Interne Schwierigkeiten führten dazu, dass der bisherige Vorstand aufgelöst und die Frage im Raum stand, ob es auch in Zukunft noch eine Straßenzeitung geben würde. Zudem kam ein enormer Schuldenberg. Aufgeben war jedoch für die Gründungsinitiatoren keine wirkliche Option. So wurden zunächst die Vereinsstatuten angeglichen und als primäres Ziel die Arbeitsplatzerhaltung vereinbart.

Zudem musste das nötige Handwerk einer Zeitungsherstellung erlernt werden. Hier wurde uns seitens der Druckerei großzügig unter die Arme gegriffen und der Print gewann allmählich an Qualität. Darüber hinaus wurde der Verein auch noch Gründungsmitglied im damaligen Bundesverband Soziale Straßenzeitungen e. V. und der damals noch bestehende Schuldenberg wurde ebenfalls nach und nach abgebaut.

Die Zeitung erwachte in einem neuen Glanz wieder zum Leben. Und dies nicht nur in der Printversion, sondern auch in der Öffentlichkeit. So nahmen 2003 fünf Vereinsmitglieder am Homeless World Cup in Graz teil, sodass auch die Medien auf uns aufmerksam wurden, was wiederum dafür sorgte, dass der FREIeBÜRGER europaweit bekannt wurde.

Kleinere Konzerte wurden veranstaltet und ein paar Mitglieder des Teams wurden 2009 sogar kurzfristig Laiendarsteller im Theaterstück Bettleroper. In den letzten Jahren war der FREIeBÜRGER immer wieder mit einigen Informationsveranstaltungen präsent. Eine sehr schöne Aktion z. B. war die im Januar 2017 zugunsten des FREIeBÜRGER stattgefundene Sammelaktion beim SC Freiburg im Schwarzwald-Stadion.

Weitere Höhepunkte waren auch immer die Titelbilder der Ausgaben. Redakteurschef Uli hatte hierfür immer die richtigen Ideen und Umsetzungsmaßnahmen parat.

In den vergangenen 23 Jahren wurde gelernt, wie man eine Zeitung macht. Darüber hinaus haben die MitgliederInnen sehr viel über sich selbst erfahren und auch darüber, dass das Schreiben auch Veränderungen schaffen kann.

Seit 2018 erscheint der FREIeBÜRGER nun in einem anderen Layout, das die LeserInnen mit seiner Frische, Übersichtlichkeit und einer neuen Typografie ansprechen und auch in Zukunft begeistern soll.

In Gedenken an Uwe Baranek, Uli Hermann, Karl Heinz Frey, Reinhold Reisinger, Sissi Walther Kligler, Wolle, Holger, Kermit und Micha.